Grundlagen – Beispiele – Auswege
Historie
Die Definition des Strafrechtsbestands „Genozid“ für „Völkermord“ wird in den
1940er Jahren vom polnisch-amerikanischen Völkerrechtler Raphael Lemkin
geprägt.
Sein Gesetzesentwurf von 1947 wird im Dez 1948 einstimmig von der UN-Vollversammlung
angenommen und ist 1951 in Kraft getreten. (aus Kalenderblatt.
de: „12.01.1951: UN-Konvention gegen Völkermord tritt in Kraft“)
Genozid und Massenmörder
Sozialpsychologische Studie von Prof. Harald Welzer: „Täter - Wie aus ganz
normalen Menschen Massenmörder werden“:
- Die
allermeisten Menschen sind potentielle Massenmörder;
„Otto-Normalverbraucher“; keine sadistische Neigung feststellbar; keine
genetische Veranlagung.
- Simple Strategie der Drahtzieher: Radikale Trennung von Personengruppen.
Die Täter müssen diese Trennung so stark empfinden, dass sie die
Vertreter der anderen Gruppe nicht mehr als Menschen wahrnehmen. Dies
lässt sich durch geschickte Propaganda und durch die Praxis
alltäglicher Ausgrenzung relativ schnell und leicht aufbauen!
- Schrittweise
Annäherung: Zuerst die Männer töten, dann die Frauen, zuletzt die
Kinder, die ohne die Mütter ohnehin nicht überlebensfähig sind
(Erlöser-Bewusstsein der Mörder).
- Eigene
Moral: Töten = Arbeit zum Wohlergehen der Gesellschaft. Innere Pflicht.
Mörder können so „anständig“ bleiben und doch Wehrlose töten. Dadurch
keine Depressionen oder Gewissensbisse.
- Sobald als Mörder begonnen, kaum ein Zurück möglich.
- Motivationstrick
der Drahtzieher: Kein Tötungsbefehl unter Druck, sondern Wecken von
Solidarität. Sympathische Vorgesetzte bringen glaubwürdig zum Ausdruck,
dass sie selbst mit dem Auftrag nicht recht glücklich sind, er aber
gemacht werden muss. Freiwillig.
(aus FAZ.NET: „Ohne Moral lässt sich kein Genozid durchführen“)
Wesentlichste Artikel
(6 von 19) der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
(Resolution 96(I)): Artikel I
Die vertragsschließenden Parteien bestätigen, dass Völkermord, ob im Frieden
oder im Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist, zu
dessen Verhütung und Bestrafung sie sich verpflichten.
Artikel II
In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in
der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse
Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
- Tötung der Mitglieder der Gruppe;
- Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
- Vorsätzliche
Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind,
ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
- Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
- Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere.
Artikel III
Die folgenden Handlungen sind zu bestrafen:
- Völkermord;
- Verschwörung zur Begehung von Völkermord;
- Unmittelbares und öffentliches Anreiz-Geben zur Begehung von Völkermord;
- Versuch, Völkermord zu begehen;
- Teilnahme am Völkermord.
Artikel IV
Personen, die Völkermord oder eine der sonstigen in Artikel II
aufgeführten Handlungen begehen, sind zu bestrafen, gleichviel, ob sie
regierende Personen, öffentliche Beamte oder private Einzelpersonen
sind. Artikel V
Die vertragsschließenden Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit
ihren jeweiligen Verfassungen die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen
zu ergreifen, um die Anwendung der Bestimmung dieser Konvention sicherzustellen
und insbesondere wirksame Strafen für Personen vorzusehen, die sich
des Völkermordes oder einer der sonstigen in Artikel III aufgeführten Handlungen
schuldig gemacht haben.
Artikel VI
Personen, denen Völkermord oder eine der sonstigen in Artikel III aufgeführten
Handlungen zur Last gelegt werden, werden vor ein zuständiges Gericht des
Staates, in dessen Gebiet die Handlung begangen worden ist, oder vor das
internationale Strafgericht gestellt, das für die vertragsschließenden Parteien, die
seine Gerichtsbarkeit anerkannt haben, zuständig ist.
Konkrete Anwendung
Seit der Ratifizierung 1951 ordneten die Vereinten Nationen zwei Verbrechen als Völkermord ein:
- Die ethnischen Massenmorde (800.000 – 1.000.000 Tote) an der Bevölkerungsminderheit der Tutsis 1994 in Ruanda und
- Das
Massaker von Srebrenica im Juli 1995, bei dem rund 8000 muslimische
Männer durch serbische Einheiten selektiert und ermordet wurden.
(aus Kalenderblatt.de: „12.01.1951: UN-Konvention gegen Völkermord tritt in Kraft“)
Ausdehnung des Schutzes
Die Richter dehnten den Schutz auf alle stabilen Gruppen aus (Artikel II). (aus
Dr. Selbmann: „Der Tatbestand des Genozids im Völkerstrafrecht, Band 1“)
Genozid als Politikum
Die
Schwierigkeit liegt nicht nur darin, einen Völkermord entsprechend
dieser Konvention nachzuweisen. Vielmehr muss erst der gemeinsame Wille
der Staaten vorhanden sein, diesen Schritt zu tun. Hier wirkt
erschwerend, dass der UNO-Sicherheitsrat kein neutrales und
unabhängiges Gebilde ist. Vielmehr sind seine Entscheide abhängig vom
politischen Gewicht, den wirtschaftlichen Interessen und
zwischenstaatlichen Beziehungen der einzelnen Mitglieder.“ (aus AMNESTY
Ausgabe Nov. 2004, Schweizer Sektion: Klaus Lüscher – „Genozid als
Politikum“)
Beispiel Ruanda
„…Ruander zählten für die Welt damals einfach nicht. Die internationale
Gemeinschaft sortierte ihre Prioritäten nach nationalen Interessen ... Die internationale
Gemeinschaft hat den fundamentalen Fehler, dass sie nicht in der Lage
ist, Eigeninteresse zu überwinden ...“ (Romeo Dallaire, ehem. Generalleutnant u.
Befehlshaber der UN-Truppe)
Der Genozid in Ruanda war lang geplant, gezielt vorbereitet und eingeleitet
worden. UN, EU, USA blieben tatenlos trotz rechtzeitiger Warnung, Alarmierung;
Hilferufe insbesondere durch den Befehlshaber der UN-Truppe R. Dallaire. (aus
Agenda 21: „Völkermord in Ruanda: 10. Jahrestag“)
„Der Genozid war kein spontaner Ausbruch kollektiver Wut oder ethnischer Spannungen,
sondern Kalkül einer kleinen, modernen Elite, die ihren Machterhalt gefährdet
sah.“ (aus Alison des Forges: „Kein Zeuge darf überleben - Der Genozid in
Ruanda“)
Bewegungen in der BRD
AGA: Arbeitsgruppe Anerkennung – gegen Genozid, für
Völkerverständigung e.V.
Im Jahr 1999 in BRD entstanden als übernationaler Verein mit politischer
Neutralität zur Bekämpfung und Verhütung von Völkermord. In 2000 Petition
beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eingereicht zur Anerkennung
des Völkermordes der Türken an 1,5 Mio. Armeniern (orthodoxe Christen) im
Jahr 1915/16. Petition ist aufgrund diplomatischer / politischer Interessen
gescheitert.
(aus der AGA-Homepage) Verein der Völkermordgegner e.V.
Verein türkischer Staatsbürger; brachte Petition mit 11.247 Unterschriften beim
Deutschen Bundestag ein zur Anerkennung des Völkermords der Türken an den
Armeniern 1915/16. (aus der Homepage des Vereins der Völkermordgegner)
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